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Leserbrief an „Die Zeit“: „Ich will ’n Handy!“

anscheinend haben Sie selber ein Kind und sprechen aus Erfahrung, wenn Sie in der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 22. März 2001 über das Gequängel eines Elfjährigen schreiben, der zu gern ein Handy haben würde. Sehr gut kann ich mich in Ihre Lage versetzen und mir fordernde Bitten vorstellen, die dem Titel Ihrer Glosse „Ich will´n Handy!“ entsprechen. Sicherlich haben alle Eltern bereits ähnliche Situationen erlebt, viele bestimmt nicht nur einmal. Aus Erfahrung spreche ich, wenn ich Ihnen mitteile, dass derartige Konflikte in einem normalen Familienleben immer wieder vorkommen werden. Die Glosse meiner Eltern müsste dann sicherlich Titel tragen wie „Ich will´n Schlagzeug!“ oder „Ich will´n Computer mit eigenem Internetzugang!“.

Wenn ich Ihren Text lese, kommen mir viele Fragen auf: Warum sollte ein Elfjähriger über kein „drahtloses Gequassel“ verfügen? Ihre erste Reaktion „Kommt gar nicht in die Tüte“ finde ich zu scharf formuliert und voreilig gegenüber Ihrem Kind. Wir leben in einer Zeit, in der das Hab und Gut den sozialen Stand widerspiegelt. Mit elf Jahren hat man die Grundschule bereits verlassen und besucht entweder ein Gymnasium oder eine Regelschule. Gerade in der zuletzt genannten Schuleinrichtung legt man größeren Wert auf alltägliche Dinge wie Handys. Dem Argument, dass Kinder ohne Handys sozial isoliert seien, könnte ich nichts mehr entgegenbringen. Sicherlich ist Ihr Sohn noch sehr jung, aber früher oder später wird er ohnehin ein Handy besitzen, deswegen frage ich Sie: Warum nicht früher?

„Wer bezahlt die Aufladung?“ Ein sicherlich schwaches Argument, um den hartnäckigen Wunsch Ihres Kindes ein Ende zu bereiten. Vereinbaren Sie doch Kompromisse. Sofort würde mir die Idee kommen, die Kosten einer Aufladung sinnvoll untereinander aufzuteilen. Vom Taschengeld könnte monatlich ein kleiner Teil abgehen, so lernt Ihr Sohn zum einen den Umgang mit Geld und dem eigenen Hab und Gut. Leider gibt es Prepaid-Karten nur ab einem Wert von mindestens 15 Euro. Vielleicht wäre ein Vertrag für Sie angebracht, bei dem Sie das maximale Guthaben pro Monat bestimmten können? Wenn das Guthaben aufgebraucht ist, dann ist eben Funkstille, da hat Ihr Sohn in der Tat Recht.

Könnten Sie Ihrem eigenen Fleisch und Blut Diebstahl und Kriminalität zutrauen? Glauben Sie wirklich, Ihr Kind würde nur wegen einem einfachen Handy Tankstellen überfallen und Markenklamotten klauen? „Dummerweise fangen fast Elfjährige an zu argumentieren, dass man sich die Augen reibt.“ Seien Sie froh, dass man Ihr Kind nicht so einfach an der Nase herumführen kann.

Vor wirklichen Schäden durch elektromagentische Strahlungen sollten Sie keine Angst haben, denn es gibt sehr strahlungsarme Handys, aber das wurde Ihnen ja bereits gesagt. Erhöhte Kosten müssen Sie ebenfalls nicht erwarten, nahezu jeder Handyhersteller legt mittlerweile Wert auf das Wort „Öko“. Wirklich bewiesen wurde nicht, dass ausgerechnet Handys große Schäden anrichten, heutzutage ist man doch vor nichts sicher: Die Sonnenstrahlung kann zu Hautkrebs führen, elektrische Steckdosen sondern Elektrosmog ab, welcher nicht nur Kopfschmerzen verursacht.

„Dann kauf ich mir selbst ein Handy!“ Juristisch gesehen ist dies noch nicht möglich, aber dieser Ausspruch soll Sie aus Ihrer Reserve locken. Kaum haben Sie dies gehört, erinnert sich der Vater an die eigene Kindheit, eine Zeit in der er selber darum kämpfte, Bluejeans tragen zu dürfen. Mit Ihrer für mich doch sehr konservativen Art haben Sie letztendlich Ihren Sohn dazu gebracht, statt eines „teuren“ Handys nur Geld von Verwandten und Bekannten zu beziehen. Mit der Hoffnung auf sportliche Aktivität haben Sie nun dem Kauf eines Mountainbikes zugestimmt. Hätten Sie den langen Diskussionen nicht gleich aus dem Weg gehen können, indem sie vorgeschlagen hätten, sich von allen Angehörigen nur Geld zum Geburtstag zu wünschen?

Trotz und gute Argumente von Ihrem Sohn haben es leider nicht geschafft, Ihre einfallslosen Gegenargumente zu schlagen. Ich finde, Ihr Sohn hatte von Anfang an Recht, das liegt mit großer Wahrscheinlichkeit daran, dass ich mich mit ihm gut identifizieren kann. Das Fahrrad, welches sich Ihr Sohn nun nach seinem Geburtstag gekauft hat, wird im Winter sicherlich nur im Keller stehen. Zu Weihnachten können Sie Ihrem Sohn ruhig wieder Geld schenken, da wird er sich mit Sicherheit freuen. Von seinen Eltern kann man definitiv ein persönlicheres Geschenk erwarten.

Ich bedanke mich für Ihr Interesse an meinem Leserbrief und hoffe auf baldige Antwort, wie Sie die Vorweihnachtszeit erlebt haben.

Mit freundlichen Grüßen